"Ohne Behinderung hätte ich keine Trafik bekommen." Eine weitere Erfolgsstory unserer Gründungsberatung.
29.03.2021
Lesen Sie, wie es Herr Neulinger mit unserer professionellen Unterstützung geschafft hat und jetzt als stolzer Trafikenbesitzer wieder in der Arbeitswelt angekommen ist:
Herr Neulinger ist im Herbst 2019 an die Wien Work Gründungsberatung herangetreten mit der Bitte, ihn bei der Trafikübernahme zu unterstützen. Nach einer Erkrankung musste er sich beruflich verändern und die Gründungsberatung durfte ihn auf diesem Weg begleiten. Wir freuen uns sehr, dass er mit seiner neuen beruflichen Herausforderung zufrieden ist und sich alles positiv entwickelt!
Wien Work (WW): Vielen Dank für ihre Zeit und die Bereitschaft für das Interview. Stellen Sie sich bitte vor?
Hallo, mein Name ist Christian Neulinger, ich bin 44 Jahre alt und seit 1.2.2020 Trafikant in Amstetten/Niederösterreich.
Wie sind Sie auf Idee gekommen Trafikant zu werden?
Nach meiner Erkrankung hatte ich nicht mehr viele berufliche Möglichkeiten. Ich war trotz Umschulungen vier Jahre beim AMS als arbeitssuchend gemeldet. Ich hatte aufgrund meiner Erkrankung Konzentrationsschwierigkeiten und musste die Ausbildungen immer wieder abbrechen. Trotzdem wurde ich immer wieder zu Kursen zugebucht. Von der PVA habe ich leider keine Unterstützung bekommen. Der Betreuer war sehr nett und hilfreich und hat mir alle Möglichkeiten aufgezählt, aber die PVA war der Meinung, dass ich es körperlich nicht schaffen werden die Trafik zu führen. Daher gab es auch keine finanzielle Unterstützung. Aber für den Arbeitsmarkt war ich fit genug? Das war für mich sehr unverständlich.
Ich wusste schon länger, dass ich die Möglichkeit hätte eine Trafik zu übernehmen. Mir hat nur noch der Behindertenpass gefehlt, um die formellen Voraussetzungen für die Trafikübernahme zu erfüllen. Meine Frau hat mich dazu motiviert die notwendigen Schritte zu gehen. Mit dem Pass und dem Bescheid hatte ich dann Voraussetzungen erfüllt.
Welche Überlegungen haben Sie bei der Trafiksuche angestellt?
Ich hatte zum damaligen Zeitpunkt nicht viele Möglichkeiten. Mir ging es finanziell schlecht und ich musste schnell etwas unternehmen. Die lange Arbeitslosigkeit hat sich auch in meiner finanziellen Situation niedergeschlagen. Daher bin ich ins kalte Wasser gesprungen und habe versucht rasch eine Trafik finden.
Die Homepage der Monopolverwaltung (MVG) kannte ich schon, weil unser Nachbar bei der Austria Tabak gearbeitet hat. Von ihm hatte ich die Info, dass es auf der Homepage der MVG Trafiken zur Übernahme gibt. In einem nächsten Schritt habe ich mich über das aktuelle Angebot informiert. Ich hatte damals (im Herbst 2019) die Wahl zwischen vier Trafiken, die eine*n Nachfolger*in gesucht haben. Über einen Tipp meiner Bank bin ich dann bei der WienWork Gründungsberatung gelandet. Ich hatte zwei Trafiken in die engere Auswahl genommen. In der Beratung haben wir die beiden Trafiken verglichen und ich habe mich danach für die Trafik in Amstetten entschieden. Entscheidend für mich waren damals:
Die Erreichbarkeit von zu Hause aus. Ich wohne in Niederösterreich in der Nähe von St. Pölten und hätte entweder nach Wien oder Amstetten pendeln müssen.
Die Größe des Geschäftes mit all seinen Nebenräumlichkeiten.
Der Zustand der Einrichtung: sie befand sich in gutem Zustand. Es gab wenig Investitionsbedarf.
Die Trafik in Amstetten hatte bessere Umsätze, obwohl das Geschäft an einigen Wochentagen nur Halbtags geöffnet war.
Wie erleben Sie die Selbständigkeit?
Ich habe vor meiner Erkrankung 17 Jahre bei den Wiener Stadtwerken im Schichtbetrieb gearbeitet. Ich glaube daher ich kann es gut vergleichen. Mir macht die Selbständigkeit mehr Spaß als die Anstellung. Die hat zwar auch Vorteile, denn das Geld kommt immer am Monatsersten. Aber als selbständiger Unternehmer bin ich niemandem Rechenschaft schuldig, außer mir selbst. Damit tu‘ ich mir leichter.
Der Nachteil an der Selbständigkeit ist, dass es immer etwas zu tun gibt. Also wenn ich wollte, könnte ich mich rund um die Uhr mit der Trafik beschäftigen. Das ist natürlich auch nicht gut, daher haben wir uns Unterstützung gesucht. Wir haben eine Teilzeitkraft beschäftigt, die uns gut unterstützt und entlastet. Für unsere Mitarbeiterin ist es wichtig, dass ich erreichbar bin, wenn es Probleme gibt. Wir haben eine Remote Verbindung eingerichtet, damit ich auch von zu Hause aus arbeiten kann. Die Wochenenden haben wir uns aufgeteilt. Es macht jeder einen Samstag. So haben wir jedes 2. Wochenende frei.
Welche Rolle spielt Ihre Behinderung für Ihre Selbständigkeit?
Ohne Behinderung hätte ich keine Trafik bekommen. Sie war also Voraussetzung für die Übernahme. Ich habe keine körperliche Behinderung. Meine Gehirnblutung macht mich müde und ich kann mich nicht mehr so gut und lange konzentrieren. Die Trafik und die Selbständigkeit erlauben mir da besser darauf Rücksicht zu nehmen. Wenn ich nicht mehr kann, dann kann ich mich im Lager auf einer Couch hinlegen und mich ausruhen. Danach geht’s wieder…
Wie geht es Ihnen jetzt?
Es war ein Risiko, weil ich noch nicht so recht wusste, worauf ich mich einlasse, aber ich bin froh es gemacht zu haben. Es war eine gute Entscheidung für mich und meine Zukunft. Ich bin mit der Umsatzentwicklung meiner Trafik zufrieden und kann gut davon leben. Finanziell geht es mir sicher besser als in einer Anstellung. Ich glaube nicht, dass ich in einem Job jemals wieder so viel verdient hätte, wie als Trafikant.
Wie blicken Sie in die Zukunft?
Wenn ich zurückblicke und die Perspektivenlosigkeit, die ich damals erlebt habe, mit meiner Situation jetzt vergleiche, dann bin ich sehr zufrieden. Jetzt habe ich was für das ich arbeiten kann und wo ich mir Ziele und Herausforderungen stecken kann. Ich probiere immer wieder neue Produkte und schaue, wie ich die Trafik noch verbessern kann. Die Zukunft schaut vom jetzigen Standpunkt nicht so schlecht aus.
Was war die größte Herausforderung, die Sie zu meistern hatten?
Eine Bank zu finden, die sagt: „ja, wir finanzieren das!“ Meine lange Arbeitslosigkeit hat mir da große Probleme gemacht. Ich habe es bei einige Banken probiert, aber niemand hat mir das Vertrauen geschenkt, bis ich bei der Bank der Vorgängerin war. Das war ein guter Tipp und sie haben sich dann auch drüber getraut. Ich hatte den Vorteil, dass ich ein Einfamilienhaus als Sicherheit hatte, das die Bank akzeptiert hat.
Ihr größter Erfolg?
Die Trafik Akademie schaffen! Die Finanzierung hätte mir nichts genutzt, wenn ich die Prüfung nicht geschafft hätte. Die Ausbildung war sehr fordernd und vor allem lange. Gleich auch ein Tipp für alle angehenden Trafikant*innen: Wenn man im Kurs aufpasst und sich vorbereitet, dann schafft man die Prüfung auch.
Haben Sie Tipps für zukünftige Trafikant*innen?
Rechtzeitig um die Finanzierung kümmern und nicht unbedingt nur auf den Umsatz schauen, weil eine Trafik mit mehr Umsatz bedeutet auch mehr Ablöse. Einen hohen Kredit zurückzahlen ist nicht ohne! Meine Empfehlung ist lieber eine Trafik mit weniger Ablöse zu wählen, damit der Kaufpreis auch finanzierbar bleibt, weil Potential gibt es immer. Umsatz ist nicht alles! Der Ertrag ist wichtig.
Ich würde jedem*r empfehlen sich vor der Trafikübernahme auszurechnen was am Schluss übrigbleibt und ob man damit leben kann. Wer das nicht selbst kann, der kann sich auch Unterstützung von außen holen, bei jemandem, der sich damit auskennt. Ich habe mir auch eine Planung erstellen lassen, um zu sehen, ob ich von der Trafik voraussichtlich auch leben kann. Es kommt nämlich auch auf die Kosten an.
Mir war wichtig, nicht viele Ausgaben und keine hohe Rückzahlung, somit insgesamt geringe Fixkosten zu haben. Damit brauche auch nicht so hohe Umsätze. Sollte es vom Umsatz her mal zurück gehen, dann kann ich trotzdem auch noch gut davon leben, aufgrund der geringen Kosten.
Wie haben Sie die Unterstützung durch die Gründungsberatung erlebt?
Ausgezeichnet! Ich kann die Beratung nur jedem*r Interessent*in empfehlen. Man bekommt eine objektive Einschätzung der Trafik und kann dann selbst entscheiden, ob sich eine Übernahme lohnt.
Bei Fragen zwischendurch war die Gründungsberatung immer für mich erreichbar und wir haben viel auch telefonisch klären können.
Ich kann nur jedem*r empfehlen, der auf dem normalen Arbeitsmarkt keine Chance mehr hat, sich um eine Trafik umzuschauen und es zu probieren. Weil es ist ein Unterschied ob man ewig beim AMS gemeldet ist, oder ob man es sich verbessern kann. Klar ist es ein Risiko, aber aus meiner Sicht bei der Trafik ein kalkulierbares Risiko. Wichtig dazu ist es eine Planung von einem*r Spezialisten*in zu haben.
Vielen Dank für das Interview.
Ansprechpartner:in
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Arbeitsassistenz Gründerberatung
Mag. Rudolf Weissinger
E: rudolf.weissinger@wienwork.at
T: +43 664 886 47 710